Blumen und Gipfel im Simmental

Familientreffen sind oft mit Koffein und Kalorien verbunden, gepaart mit Bewegungsmangel und sauerstoffarmer Luft. Das kann Dich, trotz der lieben Menschen um Dich herum, schnell auch mal schlauchen. Welch Glück, dass mich meine Lieben gut genug kennen und sich statt dessen mit mir zu einem Wanderwochenende verabreden.

Gesagt, getan: aus logistischen Gründen entscheiden wir uns für die Schweiz. Wir treffen uns Freitag Abend, besorgen Kalorien und gehen früh zu Bett. In der Früh sitzen wir im Zug nach Spiez, am späten Vormittag stehen wir in Oberwil im Simmental.

Es ist bewölkt, von Westen her soll es aufreißen. Trotzdem ist es ziemlich warm im Tal und beim Aufstieg über die Wiesen kommen wir auch gleich ins Schwitzen. Weiter oben im schattigen Wald ist es feuchter und kühler. Der Wald dient als Lawinenschutz fürs Dorf und bleibt so von der Forstwirtschaft verschont: Alles steht dicht beieinander, Moos überwuchert Stämme und Stümpfe – Leben und Tod harmonieren im Urwald.

Den kalorischen Gegenwert von drei Stückchen Käsesahne-Torte haben wir beim Aufstieg locker verbrannt und stehen nun oben auf der Hochalmfläche zwischen dem Homädli und dem Widdergrind. Der letzte Schnee ist dort oben erst vor kurzem geschmolzen, die ersten Schneeglöckchen strecken sich der Sonne entgegen.

Am kleinen Schattigseeli treffen wir auf einen 60-jährigen Bergmarathonläufer. Auch er hat schon locker eine viertel Schwarzwälderkirsch-Torte “verputzt”. Er nutzt die Hochalm-Fläche der Stockhornkette gerne als Laufstrecke, so muss er nichts mitnehmen und kann sich an den Almen mit frischem Wasser versorgen: Zum Glücklichsein braucht es nicht viel.

Wir entscheiden uns für ein Käffchen mit zwei Würfel Zucker und steigen über den Alpiglemerenpass zum Widdergrind (2.103 m) hinauf. Unterwegs verdunkelt sich der Himmel – eine Wolke will vorbei und regnet sich bei uns noch ein wenig ab. Ergiebig ist es zum Glück nicht, die Erfrischung ist uns beim Aufstieg sehr willkommen.

Unser Blick schweift über die das grüne Simmental und bleibt immer wieder an den mächtigen Bergen des Alpenhauptkamms hängen. Der Gipfel bleibt von Wolken umspielt, wir fühlen uns im Milchschaum unseres Cappuccinos gefangen.

Gegen Abend erreichen wir die Alp Morgete. Dort begrüßen uns zuerst die Schweine, die sich draußen einfach wohlfühlen. Wir bekommen jedoch ein gemütlicheres Lager und kaum haben wir uns auf der Bank vorm Haus eingerichtet, öffnet der Himmel seine Schleusen und es gießt wie aus Kübeln. Nach dem Guss schleichen sich noch ein paar Wölkchen durchs Tal und wir uns ins gemütliche Bett.

Am nächsten Morgen begrüßt uns die Sonne von einem strahlend blauen Himmel: Yeah, draußen frühstücken und das mit sehr leckerem Käse, frischem Brot und Butterzopf. Das Koffeinlevel ist viel zu schnell erreicht – also weiter.

Kaum sind die Kalorien im Magen angekommen, werden sie auch gleich wieder verbrannt, der Aufstieg zum Schibenspitz (2.063 m) ist knackig. Unterwegs kaufen wir bei der Sennerin noch ein schönes Stück Käse. Noch vier Jahre, dann feiert sie ihren 60. Almsommer.

Auf dem Spitz haben wir die gesamte Stockhornkette im Blick und am frühen Morgen sind die Gipfel des Hauptkamms auch noch wolkenfrei: Eiger, Mönch und Jungfrau stehen uns gegenüber. Der Gantrisch (2.175 m) hinter uns wird schon von Schönwetterwolken umgarnt, deshalb verzichten wir und wandern am Bergrücken entlang und stehen schon bald auf dem Homad (2.076 m) und der Möntschelespitz (2.021 m).

Über Bergwiesen, mit mehr Blumen als Kalorien in einem Liter Kaffeesahne, steigen wir zur oberen Walalp vor dem Stockhorn ab. Dort genehmigen wir uns zwei amtliche Stücke Sachertorte, denn nun geht es über viele Treppen die letzten 500 Höhenmeter steil zum Stockhorn (2.190 m) hinauf.

Schweigend genießen wir die Aussicht auf den Thuner-See, die 4.000er und das wunderschöne grüne Hochtal, aus dem wir gekommen sind. Unser Abstieg endet leider schon am Hinterstockensee – der letzte Zug nach Hause ruft. Also steigen wir in die Gondel, denn ohne eine gute Brise abgestandener Luft kann so ein Familientreffen doch nicht zu Ende gehen.

Kurzinfo

Eine schöne Almenwanderung mit vielen Wandergipfel, die immer steiler werden. Immer oben, immer Aussicht – diesmal auf den schweizer Alpenhauptkamm.

  • 1,5 Tage / 5 Gipfel / ca. 1.000hm pro Tag
  • Anreise: Fernverbindung nach Spiez / S-Bahn nach Oberwil im Simmental
  • Übernachtung: Mittliste Morgete (private Alm mit Jacuzzi)

Wegpunkte

Oberwil – Schattigseeli – Widdergrind – Schibespitz – Gantrisch – Homad – Möntschelespitz – Walalm – Stockhorn

Hey, wenn Dir dieser Artikel gefallen hat, dann teile ihn doch gern auf der sozialen Plattform Deiner Wahl!
Blumen und Gipfel im Simmental

Wenn Du noch Fragen hast oder deine Erfahrungen teilen möchtest, dann schick uns einfach eine Nachricht an contact@dustyboots.blog oder hinterlasse uns einen Kommentar. Wir helfen Dir gerne weiter.

Dir gefällt dieser Artikel? Dann stürz Dich auf die Share-Buttons ↓ hier unten↓ !

print

Das könnte dir auch gefallen:

2 Kommentare

Apollonia 12. Juli 2019 - 7:15

Schön geschrieben, ich musste direkt lachen 😀 Die Tour klingt doch viel besser als ein Familientreffen zum Kaffee trinken. Und sehr schöne Bilder! Liebe Grüße,
Apollonia von https://draussenlaufen.com

Antworten
Uli 12. Juli 2019 - 12:52

Hallo Apollonia!
Jupp, war entschieden besser als am Kaffeetisch.
Freut mich, dass Dir der Artikel so gefällt.
Liebe Grüße
Uli

Antworten

Hinterlasse ein Kommentar