Dientes de Navarino – die südlichste Trekkingtour der Welt

Einsame Moore, windgepeitschte nadelspitze Bergkuppen, undurchdringliche Urwälder und im Blick: das Ende der Welt. Nur noch 1.000 km trennen Dich von den Eismassen der Antarktis. Auf einsamen Pfaden schaust Du der neuen Erde live beim Entstehen zu, ganz so wie bei uns kurz nach der Eiszeit. In diesem abenteuerlichen Artikel nehmen wir Dich mit auf die Insel Navarino im äußersten Süden Chiles, wo Zeit keine Rolle spielt und die teils etwas skurrilen aber stets wunderbar liebenswerten Menschen Dir ein Lächeln ins Gesicht tätowieren.


Das Infopaket zur Tour:

Dientes de Navarino – die südlichste Trekkingtour der Welt-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


Dientes de Navarino & Lago Windhond

Ushuaia ist so ein Sehnsuchtsort, allein der Klang des Namens verspricht Abenteuer und Einsamkeit. Die Stadt wirbt mit dem Ende der Welt. Wer aber mal genau auf die Landkarte schaut, der stellt fest: Fehlanzeige!

Es gibt noch die Isla Navarino südlich von Feuerland (Tierra del Fuego), auch Biberinsel genannt, an deren Nordseite sich das kleine Dörfchen Puerto Williams befindet. Diese Insel zählt zu den entlegensten Orten der Welt. Hinter dem Dorf befindet sich eine kleine Bergkette: die Dientes (Zähne) de Navarino und praktischerweise eine Trekkingroute einmal komplett drum herum. Der „Dientes de Navarino Circuit“ ist die südlichste Trekkingroute der Welt und umrundet in 3-4 Tagen das bizarre Dientes de Navarino Gebirge.

Bei unserer Recherche entdecken wir, dass man diese Mehrtagestour um die Berge auch noch zum Lago Windhond erweitern kann. Extrameile FTW! Genauere Informationen sind allerdings vorab nicht aufzutreiben. In Puerto Williams rät uns die Dame in der Touristeninformation eindringlich davon ab. Auf der Polizeistelle, wo wir uns für den Ausflug in die Wildnis registrieren müssen, heißt es: Zum Lago Windhond? Kein Problem, Weg ist markiert. Wir stecken uns also noch ein paar Snickers und eine Packung Kartoffelpüree-Pulver in den Rucksack und machen uns auf den Weg.

Gleich auf dem Dorfplatz finden wir einen neuen Freund: uns läuft ein junger Hund nach. Wir streicheln ihn ein wenig, er wedelt glücklich mit dem Schwanz und ist fortan unser Begleiter. Bald außerhalb des Dorfes steigt der Pfad zum Cerro Bandero auf. Es geht auf einem Steiglein steil durch den Wald. Die Baumgrenze befindet sich hier auf rund 500m, am “Gipfel” auf rund 650m haben wir einen tollen Ausblick auf den Beagle-Kanal, Ushuaia am anderen Ufer und die wunderschönen Berge Feuerlands.

Der Weg schlängelt sich dann am Bergrücken entlang zur Laguna del Salto. In der Wegbeschreibung wird dies als erster Tag ausgeschrieben, es ist allerdings erst früher Nachmittag und die Sonne scheint. Also weiter gehts! Der Pfad wird steiler und ziemlich matschig. Bald ist der Paso Australia mit 850m erreicht. Dort oben fühlt es sich an wie in den hohen Anden, es wachsen nur noch sehr wenige Pflanzen, wir sind in einer Geröllwüste. Doch am Pass verschlägt es uns dann die Sprache und eine Gänsehaut nach der anderen läuft uns den Rücken hinunter: am Horizont leuchten die Inseln von Kap Hoorn im weichen Licht des Südens. Das ist es also wirklich: el Fin del Mundo, das Ende der Welt.

Zusammen mit Nati, einem Israeli, und unserem Hund, den wir Django taufen, steigen wir dann ab und nehmen die Abzweigung zum Lago Windhond. An einem flachen Wiesenstück oberhalb eines Biberdamms stellen wir unsere Zelte auf und kochen uns die mittlerweile traditionellen Nudeln mit Thunfischsoße als erstes Abendessen auf Tour. Der berüchtigte Wind frischt währenddessen auf und rüttelt mächtig an unserem Zelt. Django hat sich draußen eingerollt, steckt seine Nase unter sein Schwanz, trotzt so Wind und Kälte. Nach dem Abendessen lassen wir ihn im Vorzelt schlafen, naja fast …

Der Wind zerrt weiterhin mit voller Kraft an unserem Zelt und wir brauchen eine Weile bis wir Vertrauen in unser Zelt gefasst haben und einschlafen. Dafür pennen wir am nächsten Tag aus, die Tage hier sind lang und wir brauchen uns morgens nicht hetzen. Wir freuen uns über die Sonne, packen unser Zeug zusammen und steigen zum Cerro Bettinelli auf. Dort haben wir wieder die wunderbare Kap Hoorn Aussicht und sehen auch den Lago Windhond ganz in der Sonne funkeln.

Der Abstieg durch die Geröllhalden an der Laguna vorbei ruft bei uns Erinnerungen an den Altiplano in Bolivien wach. Im Wald geht es kreuz und quer über umgestürzte Bäume oder darunter hindurch. Die Wurzeln sind glatt und rutschig, der Pfad teilweise extrem matschig. Der massiven Biberplage sei Dank fühlen wir uns zeitweise wie in einem Bootcamp. Es ist wild hier im Süden der Isla. Unten balancieren wir über Stämme um den Fluss zu queren und landen auf einem breiten Moor. Gut gefedert auf dem Moos wandern wir unsere letzten vier Kilometer Richtung Süden zum Lago Windhond.

Wir haben so ein Wetterglück! Am Strand scheint die Sonne vom fast wolkenlosen Himmel. Jetzt Kleider raus und ab in den See! Django schaut uns ziemlich verdutzt an entscheidet sich dann auch für ein gemeinsames Bad mit uns im Lago Windhond. Im urgemütlichen Refugio Charles versammeln sich für diese Nacht insgesamt sechs Leute. Ein Feuer im Ofen wärmt uns, wir fühlen uns alle ein wenig wie Robinson Crusoe. Was für ein heimeliger Ort am Ende der Welt!

Wir dachten hier unten sei immer nur Mistwetter – aber auch am nächsten Morgen scheint wieder die Sonne, es ist unglaublich! Wir freuen uns mit Django um die Wette und wollen dieses tolle Fleckchen Erde nie wieder verlassen. Es geht aber heute auf gleichem Weg wieder zurück, diesmal allerdings mit guten 1.000 Höhenmeter im Aufstieg. Am späten Nachmittag stehen wir dann wieder auf dem Cerro Bettinelli und winken den Kap Hoorn Insel auf Wiedersehen. Hohe Cirrus-Wolken ziehen im Tageslauf auf: die Boten für einen Wetterwechsel.

Ein Stück weiter auf dem Rundweg um die Dientes de Navarino schlagen wir unser Zelt an der Laguna de los Dientes auf. Es gibt genügend trockenes Holz und schon bald eine Feuerstelle. Uli zündet ein Feuerchen an, der Wind frischt mächtig auf und ruck-zuck brennt das Feuer lichterloh. Weil es auch kalt wird verziehen wir uns aber doch bald zum Kochen ins Zelt zurück. Eine besonders starke Böe trifft so hart auf unser Vorzelt, dass unser Kocher umfällt und wir uns ein fettes Loch die Extra-Bodenfolie brennen. Ein Hoch auf das Panzertape! So ist das Malheur bald wieder geflickt. Django ist auch wieder froh, dass er in unserem Vorzelt ein windgeschütztes Plätzchen zum Schlafen bekommt.

Am vierten Morgen ist das Licht fahl und grau. Es hat zugezogen, aber die Wolken sind noch hoch. Wir beschließen daher, heute so weit zu laufen wie wir Lust haben und mit etwas Glück wieder zwei Tagesetappen zu schaffen. Es geht über mehrere Pässe und durch feuchte, hügelige Täler. Der Weg ist gut markiert, aber nicht angelegt. Wir finden und verlieren immer wieder die Pfadspuren, allerdings nie die Marschrichtung. Es wachsen hier hauptsächlich Arten von Buchen, die aufgrund der harschen Klimaverhältnisse manchmal nur Bonsai-Größen erreichen. Da sie aber sehr windgepeitscht werden, sind auch die dünnen Ästchen sehr hart und wir müssen uns immer wieder richtig durchkämpfen wenn der Wanderweg zugewuchert ist.

Im 20. Jahrhundert wurden Biber aus Nordamerika hier eingeführt, weil man dachte, man könnte so ein ganzjährigen Nachschub von Winterfellen der Biber erhalten. War allerdings ein Schuss in den Ofen, denn hier im Süden ist es im Winter nicht kalt genug, als dass die Biber ein flauschiges Fell entwickelt hätten. Andererseits hatten und haben die Beißer hier keine natürlichen Feinde, vermehrten sich rasch und richten nun verheerende Schäden in den empfindlichen magellanischen Wäldern an.

Der Paso Virginia ist der letzte der Runde. Die Wolken sinken langsam immer tiefer. Oben am Pass sind wir schon fast eingehüllt, haben allerdings noch ein paar Minuten Sicht auf den Beagle-Kanal und die Laguna del Guanacos im Talkessel. Eine rassige Schuttreisen-Abfahrt bringt uns schnell hinunter zum See. Ein letztes Abendessen, heute gibt es Couscous mit Tomatensoße. Auch unser Schleckermäulchen Django lässt sich den Couscous diesmal schmecken. Mit uns zelten ein paar Chilenen und wir quatschen noch eine Weile am Lagerfeuer.

Morgens wachen wir durch das sanfte aber konstante Tröpfeln auf dem Zeltdach auf. Es ist grau, wolkenverhangen und es regnet. Nicht stark, aber konstant. Schnell raffen wir unser Zeug zusammen und steigen das Tal hinab. Es ist nochmals alles geboten: Dichter Wald, matschige Wiesen, umgestürzte Bäume, riesige Biberdämme, struppiges Gebüsch. Je tiefer wir kommen desto lichter aber die Wolkendecke. Bald ist wieder T-Shirt-Wetter und wir erreichen bei Sonnenschein die Straße nach Puerto Williams.

Allerdings ist Django irgendwann im Wald abgebogen und auch nach einigen Rufen nicht aufgetaucht. An der Straße dauertes keine drei Minuten bis ein LKW vorbeikommt und uns mit ins Dorf nimmt. Django wird seinen Weg schon finden. Und tatsächlich: so ist es dann auch: kaum erreichen wir das Dorf, kommt auch ein Pick-Up mit den Chilenen an und siehe da– im Auto sitzt Django.

Die Herbergen in Puerto Williams sind sehr teuer. Wir freuen uns, dass wir auf dem Campingplatz unser Zelt aufstellen dürfen. Das Camping El Padrino ist der wunderbar schräge Ort der charismatischen Cecilia: Gezeltet wird im Hinterhof, den man sich mit einem Pferd und Hunden teilt. Im Haus gibt es eine Küche, einen Holzofen und ein Schlagzeug.

Mit uns sind noch einige andere liebe Menschen dort, es ist eine wahnsinnig tolle Stimmung! Wir kochen zusammen, backen Kuchen und Brote. Lümmeln auf den Sofas vor dem Ofen. Der Regen setzt wieder ein und wird die nächsten 48 Stunden nicht aufhören. Jetzt hat es aufgeheitert, es ist trocken, aber die Bergspitzen sind alle mit Schnee verzuckert.

Diese Mini-Doku gibt einen guten Einblick in das Leben von “Ceci” und die Stimmung dieses tollen Ortes (ist allerdings auf Spanisch, der ganze Film ist sehenswert):

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/6lyxJTNUr5Q?t=24m25s

Puerto Williams ist ein skurriler und wilder Ort mit kauzigen Charakteren und wunderbaren Menschen. In der südlichsten Hafenstadt der Welt leben nur ca. 2.300 Seelen. Alles hat seine Zeit, nur keine Hektik. Kleine Reihenhäuschen säumen die Straßen, die chilenische Marine teilt sich den Küstenstreifen gleichberechtigt mit der Kirche (der Panzer steht keine 30 Meter von der Kirche entfernt) und die gemarterten Pickups lassen zahlreiche Abenteuer jenseits der paar asphaltierten Straßen erahnen. Wir essen den besten Fisch seit sehr sehr langer Zeit.

Django hat sich die versprochene Riesenportion Hundefutter und ein paar Würstchen schmecken lassen und ist dann abgezogen, vielleicht ist er kurz danach schon wieder mit anderen Leute auf eine neue Runde um die Dientes de Navarino aufgebrochen. Django, schön dass Du mit uns gewandert bist!


Das Infopaket zur Tour:

Dientes de Navarino – die südlichste Trekkingtour der Welt-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


Hey, wenn Dir dieser Artikel gefallen hat, dann teile ihn doch gern auf der sozialen Plattform Deiner Wahl!
Dientes de Navarino

Wenn Du noch Fragen hast oder deine Erfahrungen teilen möchtest, dann schick uns einfach eine Nachricht an contact@dustyboots.blog oder hinterlasse uns einen Kommentar. Wir helfen Dir gerne weiter.

Dir gefällt dieser Artikel? Dann stürz Dich auf die Share-Buttons ↓ hier unten↓ !

print

Das könnte dir auch gefallen:

2 Kommentare

Alice 7. November 2017 - 12:52

Was für ein schöner Bericht!
Kleine Anmerkung meinerseite: Im ersten Absatz sollte es wohl heißen “Von den Eismassen der ANTarktis”, oder?
Liebe Grüße aus Wien,
Alice
die jetzt gerne für ein paar Tage (Wochen) in Südchile wandern gehen würde

Antworten
Uli Schrempp 8. November 2017 - 19:59

Hallo Alice!
Das freut uns sehr, wenn wir Deine Reiselust geweckt haben. Vielen Dank auch für Dein Hinweis, hab’s gerade korrigiert.
Grüßl
Uli

Antworten

Schreibe einen Kommentar zu Uli Schrempp Antwort abbrechen