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Driving Miss Daisy – mit Hund auf dem Jakobsweg

Der Plan: Von München aus durch Frankreich auf dem französischen Jakobsweg durch Spanien bis nach Santiago de Compostela laufen. 2.700 Kilometer. 4 Monate. 20 Kilometer am Tag. Mit Hund im Wägelchen.

Was bringt einen Menschen auf die Idee, den an sich schon fordernden Jakobsweg nicht nur allein zu bestreiten, sondern einen alten, kleinen und gehbehinderten Hund über die komplette Strecke hinweg zu schieben? Zugunsten des Vierbeiners auf den Komfort von Herbergen mit Halbpension und Duschen zu verzichten und stattdessen im Zelt zu schlafen? Nicht nur für sich selbst Sorge tragen zu müssen, sondern ebenso für das Wohl des kleinen Gefährten?

Die Antwort ist einfach: Tierliebe.
Die Ausführung hingegen gestaltet sich etwas komplizierter.

Unser Weg soll ein Statement sein gegen die Bedingungen, in denen immer noch viele Hunde in Spanien leben müssen. Ausgesetzt, misshandelt oder angekettet, oft ohne Möglichkeit sich vor den Elementen zu schützen, noch Zugang zu Wasser und Futter.

Ann ist ein besonderer Mensch mit einer schier grenzenlosen Hingabe und Liebe für Tiere. Sie teilt ihr Heim im galizischen Vigo (Nordspanien), gemeinsam mit 3 Hunden und 7 Katzen – allesamt gerettete Tiere.

In unserem Interview berichtet sie mit Begeisterung von ihrer etwas verrückten Idee und den damit zusammenhängenden Herausforderungen. Am Ende findest Du die Möglichkeit, mit ihr in Kontakt zu treten und sie bei Ihrem Vorhaben zu unterstützen.

Interview

Wie kam es zu der Entscheidung diese Wanderung zu starten? Gab es einen Initialzünder?

Ich hatte diese Reise schon sehr lange im Kopf, seit über zwei Jahren. Die Grundidee war von Anfang an, mein altes Leben in Deutschland mit meinem neuen Leben in Spanien laufend zu verbinden. Die Reise mit Daisy zu machen, das hat sich dann um die Weihnachtszeit herauskristallisiert. Unser Instagram und Facebook habe ich am 25. Dezember gemacht und habe dann angefangen zu planen und zu organisieren, um das alles auch wirklich auf die Beine zu bringen.

Es gibt nicht viele Pilger, die ihren Camino mit einem kleinen Hund und einem Wagen machen, so müsste ich alles selbst ausklamüsern.

Ein wichtiger Teil unserer Wanderung wird auch sein, zu zeigen, in welcher Situation viele Hunde, wie viele andere Tiere, hier in Spanien immer noch leben. Angekettet, ausgesetzt, gequält. Und wir wollen auch das andere Extrem zeigen: wie Daisy diese Reise im Wägelchen macht.

Du bist ja schon einmal in 3 Etappen den Jakobsweg gegangen und 2017 den Portugiesischen Camino. Warum hast Du Dir für Dein Vorhaben wieder eine ähnliche Route ausgesucht und nicht eine neue Tour?

Es gibt viel mehr als nur einen Jakobsweg. Der sogenannte Camino Francés oder auch der Französische Weg durch Zentralspanien ist der bekannteste, auch durch Hape Kerkeling, aber es gibt ein ganzes Netzwerk an Jakobswegen.

Theoretisch kann man von überall von der Haustür aus loslaufen. Ich bin den Nordweg an der Spanischen Küste entlang in drei Teilen gelaufen, davon handelt auch mein erstes Buch, was bald herauskommt. 2017 bin ich den Portugiesischen Camino von Porto aus gelaufen.

Auf unserer langen Wanderung diesen Sommer möchte ich nun endlich den belebten Camino Francés laufen, als Kontrast zu dem doch wahrscheinlich recht einsamen ersten Teil durch Deutschland und Frankreich.

Was hat Dich dazu bewogen, den Weg allein bzw. nur mit Hund zu gehen

Ich laufe immer alleine. Ich denke, dass man unterwegs schon die richtigen Leute trifft, und wenn das etwas dauert, dann hat das auch seinen Sinn. Ich habe mich auf meine Caminos immer alleine aufgemacht und davor war ich alleine in Schottland in den Highlands wandern und es ist immer ein Erlebnis.

Die Kontakte, die man auf solchen Wanderungen schließt, halten oft jahrelang. Mit vielen der Leute, die ich unterwegs getroffen habe, bin ich immer noch in Kontakt und das freut mich. Es macht es einen großen Teil des Reiz des Caminos aus.

Daisy mitzunehmen war keine Frage. Sie ist sehr auf mich fixiert und ich muss sagen, wenn sie bei mir ist, geht es mir besser. Sie liebt Auto fahren, unterwegs sein, ich kann sie ohne Probleme im Bus mitnehmen, sie hat keine Angst vor neuen Orten oder neuen Kontakten und auch wenn es wärmer ist, stört sie das nicht, sie ist ja aus dem Süden. Sie ist echt der perfekte Reisehund.

Was ist das Besondere an Deinem Hund?

Daisy ist ein kleiner Engel mit Wedelschwanz und Fell. Sie hat einen natürlichen ruhigen Charme, der alle, die sie kennenlernen, unwillkürlich bezaubert. Zudem ist sie unverschämt fotogen, viel mehr als ich, weswegen sie öfter auf unserem Instagram zu sehen ist als ich. Sie ist wie eine sehr kleine ältere Dame, verschmitzt und manchmal sogar albern, aber sie lässt sich auch nicht die Butter vom Brot nehmen.

Mit welchen Schwierigkeiten rechnest Du?

Nun, da gibt es viele Möglichkeiten. Erstmal natürlich Radpannen mit dem Wägelchen.

Umwege, die wir laufen müssen, weil der Wagen nicht durchpasst.

Und dass wir uns auf der ersten Weghälfte verlaufen und da keiner ist, der uns die Richtung weist.

Dann Probleme den richtigen Schlafplatz zu finden. Da Hunde nicht in die Camino Herbergen dürfen und es in Deutschland und Frankreich nur Pensionen und Hostels gibt (was finanziell einfach nicht drin ist) werden wir zelten. Und da sind wir schon etwas auf die Einheimischen angewiesen um keine Probleme wegen wildem Zelten zu bekommen.

Daisy kann krank werden, oder ich.

Die physischen Anstrengungen, stundenlang den Wage zu schieben, bergauf und bergab, das wird heftig.

Aber was mir echt ein bisschen Angst macht, ist der finanzielle Teil. Ich habe Geld für die Reise gespart, aber da ich nur neun Monate im Jahr Arbeit habe und eine große Fellfamilie versorge, ist jeder Monat eine finanzielle Herausforderung.

Vier Monate Camino sind eine lange Zeit, auch wenn wenn ich die Reisekosten so weit es geht gekürzt habe. Aber wir brauchen wenigstens dieses Minimum und haben bisher nur einen Teil des Geldes an Spenden gesammelt. Aber unser Weg ist jetzt überall angekündigt und das Instagram läuft, wir waren hier in Galizien in der Zeitung und im Regionalfernsehen, und es gibt jetzt kein Zurück mehr. Ich habe nur Angst, dass wir abbrechen müssen – schlicht und ergreifend weil wir nix mehr zu essen haben.

Hast Du mit Daisy schon einmal eine Wanderung unternommen? Falls ja, wie sind die Reaktionen anderer Wanderer oder Herbergsbesitzer gewesen? Bist Du mit Hund in den Herbergen willkommen?

Das wird unsere erste Long-Distance Wanderung. Ich habe bisher Wanderungen von zwei bis drei Wochen gemacht, vier Monate ist ein anderes Kaliber. Und für Daisy wird es die erste lange Reise.

Ich wollte einen kleinen Testlauf hier machen, mit unserem Wagen. Aber das erste Modell, das ich bestellt habe, mussten wir zurück schicken weil es einfach nicht für uns funktioniert hat. Nun warte ich auf die Lieferung unseres endgültigen Daisymobils, aber das wird aus Zeitgründen direkt nach Deutschland geliefert. Wir werden also einfach starten. Nicht gerade Optimalbedingungen, aber naja. Der Rest kommt beim Bügeln, wie meine Oma immer gesagt hat.  

Dies wird ja nicht Deine erste Fernwanderung sein. Was ist Deiner Erfahrung nach die größte Herausforderung auf einer so langen Tour?

Sich die ersten Tage nicht übernehmen, gut zu den Füßen sein, und Eile mit Weile. Das soll heißen: schon stetig vorwärts laufen, aber so ein langer Weg, kein Sprint sondern ein Marathon. Oder ein Ultra Marathon. Schritt für Schritt, Kilometer für Kilometer und Tag für Tag.

2.700 Kilometer ist eine schwer vorstellbare Distanz und vier Monate sind eine lange Zeit. Und der Kopf und was da so im Inneren vorgeht ist auch nicht zu unterschätzen. So ein Weg prägt einen. Ich bin gespannt wie.    

Welche Eigenschaften oder Vorraussetzungen muss Deiner Meinung nach jemand mitbringen um den Jakobsweg zu gehen?

Haha, die erste ist laufen zu wollen. Wenn jemand für alle Wege das Auto nimmt, wird es etwas schwerer 25 Kilometer am Tag zu laufen. Und Willenskraft. Wenn der Rucksack überall drückt, die Füße tun weh, es regnet oder die Sonne brennt und der MP3-Player geht kaputt, ist das oft ist das das einzige was einen vorwärts treibt.    

Wie hast Du Dich körperlich auf dieses Abenteuer vorbereitet?

Ich laufe an einem normalen Tag ungefähr acht bis zwölf Kilometer von Unterrichtsstunde zu Unterrichtsstunde mit einem Rucksack voller Mappen auf dem Rücken. Zudem laufe ich gerne einfach noch ein bisschen mehr. Wenn der Bus erst in zwölf Minuten kommt, laufe ich zur nächsten oder übernächsten Haltestelle. Und am Wochenende dann eben eine Etappe auf dem Jakobsweg, an dem ich wohne, bis nach Redondela.

Leider kann ich nicht mit dem Wagen trainieren, deswegen lassen wir es die ersten Tage dann langsam angehen.    

Wie hast Du diese Wanderung organisiert, wo hast Du dich vorher informiert?

Einen großen Teil der Organisation hat das Fundraising eingenommen. Ich habe versucht, Sponsoren zu finden, aber das hat sich als schwierig herausgestellt. Facebook und Instagram pflegen und updaten, Spardosen machen und ganz ganz viel von unserer Reise erzählen. Armbänder machen.

Dann den richtigen Wagen finden. Allein damit habe ich die letzten sechs Monate verbracht und ich hoffe, dass unsere Wahl jetzt die richtige ist. Ganz viel Internetrecherche, Suche nach den richtigen Führern in Buchform, Kartenmaterial für die Strecken wo wir vom Camino abweichen.

Daisy brauchte eine Operation, das war heftig.

Zeitungen kontaktieren, ob sie an unserer Story interessiert sind, das ganze Material zusammen zu bringen … Es ist viel mehr als ein normaler Einzelpilger im Rucksack mitnimmt, da wir zelten und ich möglichst viel selbst kochen will um nicht in Restaurants zu essen.

Und dann alle meine Tiere unterbringen für die Zeit in der ich unterwegs bin, das sind immerhin auch zwei Hunde, die dableiben und meine sieben Katzen plus einer, die nur zum Abendessen zu mir kommt.

Seit der Entscheidung das wirklich zu machen, bin ich täglich am Rotieren mit meiner Arbeit, den Tieren und der Organisation. Haha, wenn mir jemand das vorher gesagt hatte, keine Ahnung, ob ich mich nochmal machen würde. Naja, wahrscheinlich schon. Es wird auf jeden Fall ein Abenteuer.    

Du wirst Daisy größtenteils schieben. Welche Art von Wagen wirst Du benutzen? Hast du vor abseits der gängigen Route zu gehen?

Wenn alles klappt, werden wir den Dutch Dog Doggy Ride Novel auf unserem Weg benutzen, das ist ein Wagen, der in den Niederlanden speziell für Hunde konstruiert wurde. Es gibt zwei junge Männer, die 2016 den Camino Francés mit einem Mops und einem Kater gelaufen sind, auch mit diesem Wagen.

Und es gibt um die 100 Long Distance Hiker in den USA, die damit durch die Staaten gestapft sind, er ist also einigermaßen erprobt.

Mein Plan ist, die Fußpilgerroute zu nehmen in der Hoffnung, nicht auf unpassierbare Hindernisse zu stoßen.

Was ist die beste Zeit im Jahr für den Jakobsweg und warum?

Prinzipiell ist es gut, die große Sommerhitze zu umgehen. Im Mai und im September und Oktober ist das Wetter in Spanien recht stabil und es ist noch nicht oder mehr nicht unerträglich heiß.

Im März, April kann man Pech haben mit viel galizischem Regen oder sogar Schnee und ab November wird es unangenehm kalt und fast immer nass. In den Wintermonaten haben außerdem viele Pilgerherbergen geschlossen.

Durch meine Sommerferien bin ich allerdings zeitlich gebunden. Wir werden also versuchen, die Mittagshitze zu meiden und früh morgens und in den Abendstunden zu laufen wenn es zu heiß wird.

Vier Monate sind eine lange Zeit. Du hast ja noch zwei andere Hunde und sieben Katzen – allesamt gerettete Tiere. Wer kümmert sich in Deiner Abwesenheit um Deine tierische Großfamilie?

Meine Fellfamilie muss ich aufteilen. Freunde und Bekannte, die auch in der Tierrettung aktiv sind, nehmen meine Katzen auf. Eine Freundin kümmert sich um Nike, und Grey bleibt zu Hause. Eine Nachbarin kommt jeden Tag morgens und abends rüber, um ihn zu versorgen und ganz viel mit ihm zu kuscheln. Wird komisch, nur mit Daisy, aber auch wesentlich einfacher.

Viele berichten ja von Erkenntnissen der besonderen Art auf diesem Weg. Welche Art von Erleuchtung erhoffst Du Dir am Ende des Weges? 😉

Gute Frage. Auf dem Camino passieren Dinge, die man so niemals hätte vorhersehen können, aber es ist immer spannend. Ich glaube, ich bin einfach gespannt auf das, was uns dort erwartet. Meine letzten Caminos haben mir immer sehr viel gezeigt und jeder war anders. Ich möchte gerne für alles offen sein. Offen für das was da so kommt.

Und alles was uns so passiert, wird dann sicher genug Stoff sein für mein zweites Buch!

oder hattest Du sie schon beim letzten Mal?

Ich würde sagen, ich bin nicht mehr dieselbe Person wie die, die 2008 in Bilbao losgelaufen ist, ohne zu wissen, was der Jakobsweg ist. Ich dachte, es ist einfach ein weiterer hiking trail, wie es so viele auf der Welt gibt, aber ich habe bald gesehen, dass da noch mehr dahinter ist.

Nach diesem ersten Caminoteil, der mich nur bis Llanes geführt hat, weil ich nur zwei Wochen Urlaub hatte und dann zurück an die Arbeit in München musste, habe ich den Plan geschmiedet, mir eine Auszeit zu nehmen. Der Plan war vier Monate mit dem Campingbus durch Spanien zu fahren. Nach drei Wochen kam ich in Galizien an und bin geblieben.

Das war vor genau zehn Jahren. Dieser lange Camino von München aus ist also auch eine Jubiläumsfeier.

Es hat dann nochmal sieben Jahre gedauert, bis ich 2015 auf dem Camino zurückgekehrt bin, zurück nach Llanes, aber ich musste wegen einer Muskelentzündung 100 Kilometer vor Santiago abbrechen und musste nochmal ein Jahr warten bis ich 2016 endlich in Santiago angekommen bin.

Wenn ich mir das Foto von 2008 anschaue und das von 2015, dann sind da ganz viele Erinnerungen, aber ich bin auch ganz viel gewachsen. Die ganze Geschichte erzähle ich im ersten Buch, das ich gerade überarbeite.

Hast du einen Geheimtipp für unsere Leser, die jetzt angefixt sind und diese Tour auch gehen möchten? Allein oder auch mit tierischer Begleitung?

Mit Hund und Wagen? Frag mich nochmal, wenn wir es gemacht haben :-).

Als Fußpilger? Pack den Rucksack und los! Wenn Dich der Camino ruft, dann machs!

Willst Du mehr über Ann erfahren? Dann findest Du hier alle weiteren Informationen:

Facebook:  https://www.facebook.com/DrivingMissDaisy2019
Instagram: https://www.instagram.com/drivingmissdaisy2019/
E-Mail: drivingmissdaisy2019@yahoo.com
Fernsehbeitrag (ab 20:10 min., Spanisch): http://www.crtvg.es/tvg/a-carta/a-revista-fds-4057434
Zeitungsbeitrag (Spanisch): https://www.lavozdegalicia.es/noticia/vigo/2019/02/21/miss-daisy-camino-carritode-dia-noche/0003_201902V21C12991.htm
Spenden: https://www.gofundme.com/our-camino-against-animal-cruelty-1km1eur
Armbänder auf Etsy: https://www.etsy.com/shop/caminotograce

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Könntest Du Dir vorstellen, Dich in ein solches Abenteuer zu stürzen oder hast Du diesbezüglich schon Erfahrungen gesammelt, die Du mit uns teilen möchtest? Dann schreib uns einen Kommentar oder eine E-Mail an contact@dustyboots.blog!

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