Fairy Meadows – der einfache Weg zum Nanga Parbat

Der perfekte Einstieg für eigenverantwortliches Trekking in Pakistan. In zwei Tagen stehst Du direkt vor dem eindrucksvollen Achtausender Nanga-Parbat im westlichen Ausläufer des Himalayas. Die leichte Wanderung zur Almsiedlung Märchenwiese ist einfach zu organisieren und gewürzt mit einer abenteuerlichen Jeepfahrt durch das Raikot-Tal.

Mir ist heiß, aber die trockene Hitze des Indus-Tals ist erträglich. Die Sonne brennt schon früh am Morgen vom wolkenlosen Himmel. Gilgit ist ein staubiger Ort, gefühlt besteht er nur aus der Hauptstraße. Nahe des Hostels tanken wir Kraft beim Frühstück: typisch pakistanisch mit Paratha-Fladenbrot, Ei, Kichererbsen und Milchtee.

Für Pakistan sind nur sehr wenig brauchbare Informationen zur Planung von Trekkingrouten zu finden. Die meisten Bücher und Blogs – die Einheimischen und Agenturen sowieso – empfehlen unbedingt einen Guide, alles andere sei nicht möglich. Korrekte Landkarten in Druckform gibt es kaum, auf Open Street Map sind viele Ortsnamen nur in arabischer Schrift hinterlegt. Kurzum: Es ist kompliziert.

Andererseits fasziniert uns gerade das Unbekannte und wie es ist, überhaupt durch Pakistan zu reisen. Wir beschließen uns langsam vor zu tasten, mit einfachen Routen zu beginnen, dabei so viel wie möglich über die Begebenheiten und Landschaft zu lernen. Mit diesem Rüstzeug gehen wir danach auch längere, größere und höhere Touren ganz im Dustyboots-Stil – ohne Guide und Träger.

Gilgit, die größte Stadt im nördlichen Bergland Pakistans

Zurück nach Gilgit: Wir wollen los, brauchen aber noch Gas für unseren Kocher. Irgendwo auf der Hauptstraße soll es Kartuschen geben, jedoch kennt niemand das Geschäft oder wir sprechen den Namen falsch aus. Wir irren hin und her, her und hin … die Sonne brennt immer erbarmungsloser herunter … endlich finden wir den richtigen Laden. Yeah, unsere Küche bleibt nicht kalt.


Das Infopaket zur Tour:

Fairy Meadows – der einfache Weg zum Nanga Parbat-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


Die restliche Verpflegung haben wir bald zusammen, wir sind ja nur wenige Tage unterwegs. Dennoch steht die Sonne schon im Zenit als wir den Busbahnhof erreichen. Wie so viele Dinge funktioniert der öffentliche Verkehr bedarfsorientiert: losgefahren wird wenn der Bus voll ist und nicht wenn die Uhr es sagt. Wir warten geschlagene zweieinhalb Stunden. Im nunmehr proppevollen Bus zuckeln wir den Karakorum Highway hinunter zur Raikot-Bridge über den mächtig tosenden Indus.

Kaum ausgestiegen sind wir schon in den Händen der Jeepfahrer. Nachdem der Preis ausgehandelt ist, steigen wir in das rosarote Gefährt unseres Fahrers. Die Piste ist staubig und steinig, langsam schaukeln wir durch die Ebene, biegen alsbald Richtung Berg ab. Der Weg wird schlechter, schmaler und der Abhang immer steiler.

Zwar lenkt unser Fahrer den Jeep umsichtig und kontrolliert durch Schlaglöcher – die gähnende Leere, die sich neben dem Rad auftut ist aber schon mehr als Respekt einflößend. Der Adrenalinpegel steigt, unsere Hände umklammern den Fahrzeugrahmen immer fester. Wir staunen und ziehen insgeheim den Vergleich mit der Death-Road in Bolivien, aber das hier ist tatsächlich nochmal eine ganze Nummer extremer.

Mitten auf der Strecke ist plötzlich die Piste gesperrt, ein Bergrutsch hat die Straße mit sich gerissen. Also schultern wir unsere Rucksäcke, kraxeln vorsichtig über das Geröll und erreichen sicher den oberen Abschnitt. Ein Stück weiter oben wartet schon eine Gruppe Pakistanis auf den nächsten Jeep.

Die folgenden Minuten kann man als Nicht-Pakistani nur schwer erklären: Es entwickelt sich explosionsartig ein Handgemenge um die Frage wer zuerst einsteigen darf und die Situation eskaliert um ein Haar gewaltsam.

Ohne die komplizierte Hierarchie innerhalb der pakistanischen Gesellschaft zu verstehen, ganz zu schweigen vom Ethnien- und Sprachgewirr – als westlicher Ausländer hast Du meist keine Chance auch nur zu erahnen warum jemand von jetzt auf gleich laut wird und anfängt wild zu gestikulieren. In der Regel geht es um Dich, unserer Erfahrung nach stets im positiven Sinne. Genaueres wirst Du selten erfahren.

Oben am Jeep-Point erwartet uns die pakistanische Variante von “Hello my friend, special price for you”. Die folgende Wanderstrecke sei “nur mit Guide zu bewältigen”, der junge Herr sei Touristenführer und würde uns liebend gern hoch bringen. Gegen ein kleines Entgeld, versteht sich. Wir lehnen dankend ab. Er insistiert: ein Führer sei vorgeschrieben, wir müssten bei der Polizei um Erlaubnis bitten. In dem kleinen Verschlag, der als Polizeistation dient, begrüßt uns der freundliche Hauptmann mit wildem Rauschebart. Wir tragen uns ins Buch ein und bitten ihn, uns ohne Führer ziehen zu lassen.

Allerdings ist es mittlerweile schon halb sechs geworden, in einer Stunde geht die Sonne unter. Zur Märchenwiese brauchen wir doppelt so lang. Kurzerhand erklärt sich der Polizist bereit mit uns hoch zu wandern. Er schultert seine Kalaschnikow und mahnt uns zur Eile. Der Weg ist breit und gut, also auch bei Dunkelheit kein Problem. Mit Einbruch der Dämmerung legt er eine kurze Gebetspause ein, dann wandern wir weiter. Als wir oben in Fairy Meadows ankommen ist es stockdunkel. Der Polizist führt uns – natürlich – zum Hotel seines Cousins, was sich als exzellente Wahl herausstellt.

Nach dem obligatorischen Milchtee zur Begrüßung dürfen wir unser Zelt auf seiner Wiese aufbauen – Yeah, wir haben eine 5-Sterne-Aussicht! Bevor der Wirt schließlich dem Nachthimmel die Show überlässt, erzählt er uns von tragischen Besteigungsversuchen am Nanga Parbat und von seinem Buddy Reinhold Messner, der erst wenige Wochen zuvor zu Besuch da gewesen war.

Doch der nächste Morgen ist grau, wolkenverhangen und regnerisch. Die Sicht auf den Nanga Parbat, dessen weißes Haupt wir am Vortag immer mal wieder am Horizont entdeckten, ist gleich null. Aber diese Pause kommt uns eigentlich ganz gelegen, denn nach der Hitze und dem Trouble in den pakistanischen Städten sind uns die Ruhe und Kühle gerade recht. Wir bleiben einfach lange im Zelt und freuen uns der Zweisamkeit: abwettern kann auch schön sein.

Am späten Nachmittag reißt es endlich auf und Bäm! Da steht sie vor uns, die gewaltige Nordwand des Nanga Parbat. Nach alpinen Maßstäben sind es locker 4-5 Alpengipfel übereinander gestapelt, der absolute Wahnsinn, diese knapp fünf Kilometer hohe Wand!

Am nächsten Morgen erwachen wir bei Sonnenschein. Also nix wie los in Richtung Achttausender! Wir wandern durch den schönen Nadelwald, an gurgelnden Bächen entlang durch abwechslungsreiches Almengelände. Nach anderthalb Stunden erreichen wir die Almsiedlung Beyal und kurze Zeit später den Gletscher-Viewpoint.

Die hohe Wand vor und der riesige Raikot-Gletscher unter uns bieten einen gewaltigen Anblick. Obligatorisch auch hier: der Kiosk mit diversen Softdrinks und Crackern im Angebot. Lebensnotwendig am Berg, keine Frage…

Leider ist das Umweltbewusstsein in Pakistan noch nicht sonderlich ausgeprägt und die Touristen lassen ihren Müll überall zurück. Wir packen daher unsere Tüten und Beutel aus und sammeln unterwegs diese ungeliebten Hinterlassenschaften ein. Bis wir wieder unten in Fairy Meadows ankommen, sind neun große Tüten voller Müll zusammen gekommen.

Die Märchenwiese selbst ist ein Almdorf auf einer großen Lichtung im Nadelwald. Neben dem Dorf wurden und werden einige Hotels und Herbergen gebaut. Dieser Ort ist eines der beliebtesten Ziele für Pakistanis, die das kühle und feuchte Wetter sehr lieben.

Abends werden wir von einer Studentengruppe zum Abendessen eingeladen, eigens dafür haben sie kurzerhand eigenhändig zwei Ziegen geschlachtet. In fröhlicher Runde essen wir gemeinsam und werden später am Lagerfeuer sogar zu einem Tänzchen aufgefordert. Christiane ist die einzige Frau weit und breit und freut sich riesig der Ehre, die ihr damit zuteil wird.

Ziegenschlachtung nach den islamischen Regeln: Halal

Am dritten Tag sagen wir Tschüss und wandern entspannt das Tal wieder hinunter. Am Jeep-Point nimmt uns gleich ein Fahrer in Empfang und eine Stunde später stehen wir wieder in der trockenen Hitze des Industals.

Der Besuch von Fairy Meadows ist eher ein Ausflug zum Zelten als eine richtige Trekkingtour. Wie geplant, haben wir einiges über die natürlichen Gegebenheiten in den pakistanischen Bergen gelernt, das uns für unsere weiteren Trekkingtouren hilft:

  • Die Täler sind bis ca. 3.500m mit Almen und Schäferhütten besiedelt.
  • Die Gletscher und Berge sind absolut gigantisch. Wow!
  • Zum Ausgangspunkt besser mit dem Taxi, das ist planbarer.
  • Wegweiser haben wir keine entdeckt. Die Richtung ist immer klar: auf einer Seite begrenzt der Gletscher, auf der anderen die steilen Bergflanken.
  • Mit Erdrutschen müssen wir rechnen und uns weglos über das Geröll trauen.
  • Die Selbstverständlichkeit europäischer Sicherheitsstandards können wir getrost vergessen. Wer in Pakistan diesbezüglich nicht ab und an an Auge zudrücken kann wird schnell gestresst sein.
  • Es ist herrscht feuchteres Klima: Morgens ist die Sicht meist klar, dann ziehen Wolken auf. Einen Regentag kann es immer wieder geben.
  • Trockenfrüchte und Nüsse vom Markt sind ideale Trekking-Nahrung: super lecker und überall erhältlich

Staubig und glücklich kehren wieder ins Hostel in Gilgit zurück, der erste Streich wäre geschafft. Die Berge sind extrem steil und wild, aber die Täler eignen sich hervorragend zum Wandern. Wir haben Blut geleckt – auf zu neuen Abenteuern!

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Das Infopaket zur Tour:

Fairy Meadows – der einfache Weg zum Nanga Parbat-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


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4 Kommentare

Wolfgang A. 21. Januar 2020 - 10:03

Servus Christiane,

dank deiner spannenden Erzählungen am letzten Wochenende habe ich mich natürlich sofort auf eure Website gestürzt und bin schlichtweg begeistert 🙂
Sooo tolle Eindrücke und Geschichten, das bietet Lesestoff und Anschauungsmaterial für lange Zeit – dazu jede Menge Inspirationen und die Gelegenheit, an euren Erlebnissen teilhaben zu dürfen. Als Freund der asiatischen Gebirge hat mich der beeindruckend bebilderte Bericht über den Weg zum Fuß dieses spektakulären geschichtsträchtigen Berges besonders in seinen Bann gezogen. Herzlichen Dank für das Teilhaben lassen.

Weiter so und beste Grüße
Wolfgang

Antworten
Christiane 21. Januar 2020 - 11:49

Wow, was für schöne Worte, danke Wolfgang. Für genau diese Begeisterung schreiben wir, Rückmeldungen wie die Deine bedeuten uns sehr viel. Dann viel Spaß beim Weiterlesen und alles Liebe,
Christiane

Antworten
Johannes 8. November 2019 - 12:08

Wunderbarer Artikel, besonders die Fotos! Ich glaube ich wäre auf halbem Weg in dem Jeep in Ohnmacht gefallen 🙈 ich möchte in diesem Leben unbedingt auch einmal ein Stück den Nanga Parbat hoch (für den Gipfel wird’s leider nicht reichen), oder zumindest bis zur Märchenwiese… am Nächsten gekommen bin ich ihm bis jetzt nur im Urlaub in Südtirol im Museum von Reinhold Messner 😀 aber sag niemals nie, und bis dahin habe ich ja Artikel wie diese um mich zu vertrösten!

Lg Hannes

Antworten
Christiane 11. November 2019 - 18:47

Johannes, wie Deine Worte unsere Herzen erfreuen, hab vielen lieben Dank für Deine lieben Worte 🙂
Du hast auf dieser Dirtroad natürlich auch die Möglichkeit hoch zu laufen wenn Du den Fahrkünsten der Driver nicht traust, das dauert dann einfach nur länger und ist aufgrund der Hitze anstrengender.
Der Nanga Parbat war für uns auch ein echter Knaller. Nur dafür nach Pakistan zu reisen ist sicher etwas übertrieben, aber ein überzeugendes Argument mehr für dieses Abenteuer hast Du ja jetzt.

Liebe Grüße,

Christiane

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