Rush Lake – der höchste Bergsee über den Gletschern Pakistans

Es gibt Touren, an die denkt man gern zurück.

Es gibt Touren, an die erinnert man sich wirklich gern.

Und dann gibt es Touren, bei denen ich Pipi in den Augen bekommen wenn ich an die umwerfenden Ausblicke, Hochgefühle, tiefen Erfahrungen und prägenden Begegnungen zurückdenke.

Die Wanderung zum Rush Lake (auch Rash Phari genannt) gehört definitiv zur letzten Kategorie. Und dabei lief alles gar nicht mal so nach Plan…

Aber eins nach dem anderen:

Tag 1

Nach einem ausgiebigen Frühstück bei einer alten Dame unterhalb des Forts treffen wir gut gestärkt unseren am Vortag bestellten Fahrer am Hostel. Die Rucksäcke sind gefüllt mit leckeren Trockenaprikosen, Maulbeeren und Nüssen, das Wetter spielt gut mit und wir sind frohen Mutes als wir ins Auto steigen.

Die Fahrt zu unserem Ausgangspunkt Hopar/Hoper/Hopper Valley dauert ca. eine Stunde und führt über ruppiges Terrain, durch zahllose Schlaglöcher in das ausladende und wunderschön grüne Hochtal. Aprikosenbäume so weit das Auge reicht. Die über weite Etappen Steinschlag gefährdete Strecke haben wir schnell vergessen und suchen als erstes den lokalen Dorfpolizisten auf.

Denn: jeder ausländische Tourist muss sich hier registrieren lassen und bei der Rückkehr wieder als unversehrt zurückmelden. Normalerweise wird die Tour zum Rush Lake/Rush Peak nur als geführte Route angeboten, und es braucht schon ein wenig Überzeugungskraft unsererseits (und mal wieder den hilfreichen DAV-Ausweis) um unsere Bergtauglichkeit und den Willen zur Eigenverantwortung glaubhaft zu machen. Wir unterzeichnen eine Verzichtserklärung inklusive Haftungsausschluss und es kann weitergehen.

Der erste der beiden zu überquerenden Gletscher, Bualtar, hat eine hohe Fließgeschwindigkeit und verändert sein Angesicht täglich. Daher entscheiden wir uns diesmal tatsächlich für einen lokalen Guide, der uns sicher zur anderen Seite bringt.


Das Infopaket zur Tour:

Rush Lake – der höchste Bergsee über den Gletschern Pakistans-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


Die Gletscherformationen sind ganz und gar fantastisch, und es ist schon fast schade, dass unser Führer uns so behende und flink herüberlotst. Abstrakte Eismassen, schillernde Gumpen und Farbverläufe laden stets zum Staunen und Fotografieren ein.

Es folgt ein kurzer aber sehr steiler Aufstieg zur Schäfer-Alm Shishkin auf einem Zwischenplateau. Die Sicht ist schon jetzt atemberaubend.

Noch ein paar Höhenmeter weiter können wir die andere Seite und unsere Zukunft erblicken: Der Barpu-Gletscher erstreckt sich majestätisch vor unseren Füßen. Dieser ist vergleichsweise im Schneckentempo unterwegs und wir können den Weg über die Geröllfelder trotz fehlender Markierungen unproblematisch finden. Einzig die Abbruchstellen wollen mit Vorsicht umgangen werden.

Nachdem wir die imposante Gletschermoräne linksseitig überquert haben, offenbart sich ein wunderschönes Hochtal mit ausladenden Feldwänden, grünen Wiesen, Blumen, kleinen (zeitweise ausgetrockneten) Bächen und unzähligen Bäumchen. Der Weg ist hier weitgehend eben und wir schlendern gemütlich dahin.

Die Orientierung fällt uns schwer, da wir weder eine Weg-Markierung sehen können noch ein markantes Gebilde uns verrät, auf welchem Punkt der Karte wir uns befinden oder wo der Pfad für den nächsten Tag abgeht. GPS nützt nicht viel, denn wir wissen nur ungefähr dank einer handgezeichneten Karte wo der Zeltplatz Bericho Kor sein könnte.

Sei´s drum. Wir schlagen unser Zelt einfach irgendwo in der Nähe eines Bachs und einer Schäferhütte auf, genießen in ruhiger Zweisamkeit einen wunderschönen Sonnenuntergang und freuen uns des Lebens.

Tag 2

Der nächste Tag präsentiert sich unvorteilhaft. Dicke Wolken hängen über uns. Es ist grau, regnerisch und kühl. Leicht verwundert bemerken wir den aufsteigenden Rauch über der verlassen geglaubten Schäferhütte, und kaum sind wir aus dem Zelt gekrabbelt werden wir auch schon zum Milchtee eingeladen. (Warnung: wer nicht schon lange im Land weilt und sich an die lokalen Bakterien gewöhnen konnte, sollte diese Art von Einladung höflich aber bestimmt ablehnen). 

Im dunklen verrußten Raum zusammengekauert, ein paar zerlumpte Kleider und Flipflops am Leib, begrüßen uns neugierig fünf Hirten. Da wir weder die lokale Sprache noch sie des Englischen mächtig sind, bleibt unsere Konversation auf Blicke, Gesten und den Austausch von Tee und Nüsschen beschränkt. Eine schöne, warmherzige Erfahrung, die wir in unserer Zeit in Pakistan zahlreiche Male genießen dürfen.

Wir können dennoch irgendwie kommunizieren, dass wir den Aufstiegspfad suchen. Die Herren zeigen uns dankenswerter Weise später etwas weiter zurück liegend den eigentlichen Campingplatz inklusive Einstieg zum Berg.

Da wir keine Verpflegung für einen Extratag einkalkuliert haben und ohnehin Tatendrang verspüren, entscheiden wir uns trotz Dauerregen, Nebel und Kälte für den Aufstieg. Diese 1100hm gestalten sich als äußerst steil und anstrengend, vor allem aufgrund des glitschigen Untergrunds.

Oben auf dem Bergrücken angelangt, wird die Orientierung nicht einfacher. Alles ist komplett in Nebel gehüllt, wir sehen die Hand vor Augen nicht und versuchen mithilfe des GPS den nächsten Campingplatz anzusteuern. Ok, nicht nur GPS. Eigentlich folgen wir vorrangig den Kuhfladen und -spuren. Das Terrain ist schlammig und anstrengend, wir suchen und suchen und ich merke wie ich trotz angemessener Kleidung immer weiter auskühle.

Schluss. Wir suchen uns ein kleines Rinnsal als Wasserquelle, schlagen unser Zelt auf und kuscheln uns ein. Es bringt nichts hier noch ewig in der Kälte und Nässe herumzuirren. Tomorrow is another day.

Tag 3

Oh yeah. Viel besser. Die Sonne zeigt sich zwar noch nicht, aber die Luft ist klar und wir freuen uns auf den Tag. Nach wenigen Minuten Laufen finden wir heraus, dass wir unser Lager noch nicht einmal einen Kilometer vom geplanten Campingplatz aufgeschlagen haben. Umso besser. Somit können wir unsere Wasserflaschen auffüllen und den schon als rosig angepriesenen Ausblick auf die zurückliegende Strecke bis nach Hopar genießen.

Der Weg zum Rush Lake ist nun gut sichtbar, er schlängelt sich stetig und mäßig steil nach oben. Oben angekommen, freuen wir uns wie die Schnitzel, denn wir haben den kompletten Platz am höchsten Bergsee Pakistans ganz für uns. Noch.

Sofort breiten wir unsere durchnässten Sachen in der Mittagssonne zum Trocknen aus, nehmen ein kühles Bad und genießen die Ruhe.

Der Regen kehrt zurück, und mit ihm erreicht eine große Tourgruppe das Ufer. Locker zehn Mann, davon ein einziger Kunde: John. Wahnsinn.

Wir drehen eine Runde zu den umliegenden Bergkuppen und lassen uns zum Sonnenuntergang von den Blumenfeldern, umherziehenden Yaks, umwerfenden Ausblicken auf die mächtigen Gletscherlandschaften, von Licht- und Wolkenspielen verzaubern.

Die Einheimischen spielen indessen einfach Cricket, den Nationalsport Pakistans, bis es aus dem Kochzelt duftet.

Johns Entourage lädt uns später zum Abendessen ein und wir werden abermals Zeuge der umwerfenden pakistanischen Gastfreundschaft.

Tag 4

Wir wissen, dass die Wolken morgens schnell aufziehen und versuchen, schneller zu sein. Es lockt der Ausblick auf den K2 vom Rush Peak. Also stehen wir 5:00 Uhr auf und starten im Morgenfrost sofort zum 5.098m hohen Gipfel.

Die 400hm haben es in dieser Höhe in sich, und wir kommen leider zu spät oben an. Die Wolken tanzen am Himmel und so ist uns leider keine Fernsicht vergönnt.

Dennoch: ein unglaublich schöner Tagesanfang, wir bleiben am felsigen Gipfel bis uns der Po einfriert und blicken auf die umliegenden Spantik, Malubiting, Miar Peak, Phuparash Peak und Ultar Sar. Mehr als 11 Gipfel über 7000m und mehrere Gletscher liegen vor unseren Augen. Einfach irre.

Es stellt sich heraus, dass die bei OSM eingetragene Position für den Rush Peak falsch ist. Statt dem eigentlichen Gipfel ist eine viel weiter unten gelegener Spitze markiert. Gut, dass wir nur auf Sicht gelaufen sind.

Wir beschließen, diesen wunderschönen und sonnigen Tag voll auszunutzen und direkt in einem Rutsch zurück nach Hopar zu laufen. Es wird hart, ja, aber es geht ja abwärts…

Wir entscheiden uns diesmal für eine eigenmächtige Überquerung des Bualtar-Gletschers. Abgesehen von zwei Schlüsselstellen war die Route ganz gut ersichtlich und gehbar. Und so laufen wir diesmal in aller Ruhe und Vorsicht über die bizarre Landschaft und danken danach dem Eisriesen für sein Geleit.

Ja, der heutige Tag ist ein Gewaltmarsch. Insgesamt 800hm hoch, mit Gegenanstiegen 2.500hm runter. Hallo rechtes Knie! Hallo linkes Knie! Aber diverse sprudelnde Kaltgetränke in Hopar relativieren die Strapazen rasch. 

Wir bitten noch um eine Unterredung mit den lokalen Guides und Polizisten und schlagen ein Müllpfand-System vor. Es gibt in Pakistan kaum eine Trekkingroute, die nicht gedankenlos mit Plastikmüll verschandelt wird. So unglaublich schön die Landschaft auch sein mag… das achtlose Wegwerfen von Keksverpackungen, Duschbad, Dosen usw. hinterlässt stets einen schalen Nachgeschmack bei uns. Sammeln und Vormachen sind eine Sache, aber auf politischer Ebene ist der Hebel viel mächtiger.

Ruckzuck ist dann auch ein Taxi zurück nach Karimabad organisiert und wir lassen uns platt wie die Flundern in den Sitze fallen. Was für ein großartiger Trip!

Fazit:

Ein wildes Bergabenteuer für erfahrene Wanderer. Fernab der Zivilisation führt diese abwechslungsreiche Mehrtagestour über zwei Gletscher durch mächtige Hochtäler und steile Anstiege zum idyllisch gelegenen Rush Lake auf 4700m und die 5098m hohe Felsnadel Rush Peak. Imposante Ausblicke auf die unwirklich schöne und gigantische Gletscherlandschaft machen diese Wanderung zu einem wahrhaft unvergesslichen Erlebnis.

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Das Infopaket zur Tour:

Rush Lake – der höchste Bergsee über den Gletschern Pakistans-Infopaket
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.


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