Gigantische Eisriesen, türkis leuchtende Lagunen, heiße Quellen, unendliche Weiten…
“Der schönste Trek der Welt!” Jeden Tag haben wir das gedacht. Und noch heute vergleichen wir jede Mehrtageswanderung mit dieser fantastischen Tour in den peruanischen Anden. Der Huayhuash-Trek (spricht sich wie das englische “why wash”) ist ein sehr forderndes Abenteuer, aber jede Anstrengung wird mit Ausblicken belohnt, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen. Hier regiert noch ungeschlagen Pacha Mama.
„Wilder, einsamer, höher, steiler, wunderschön …“ mit diesen Adjektiven hat man uns die Trekkingtour rund um die Cordillera Huayhuash schmackhaft gemacht und wir haben kraftvoll zugebissen.
Außerhalb des Himalayas gibt es keine Bergregion, die so eine hohe Dichte an 5.000m und 6.000m hohen Gipfeln aufweist, wie dieses 30 km lange Naturschutzgebiet. Ganz im Gegensatz zur Cordillera Blanca, wo wir vorher auf dem Santa Cruz Trek unterwegs waren, weist diese Landschaft keine so ausladenden Täler auf und die Pässe sind um einiges höher. Da Peru in den Tropen liegt, fängt der Schnee erst ab ca. 5.000m an.
Das Infopaket zur Tour:
Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.
Die Meisten machen diese Runde als organisierte Tour mit einer Agentur, darin enthalten sind dann der Transport, ein Koch, ein Guide und eine Menge Esel, die Dein Zeug schleppen. Oder das Abenteuer als Indie-Trekker? Die Entscheidung war schnell getroffen. In unserer Vorstellung schlagen Unabhängigkeit und Abenteuer den möglichen Komfort.
Der Ausblick auf die nächsten Tage versprach bei schönstem Sonnenschein jeden Tag einen Pass zwischen 4.700m und 5.000m und nachts die tollsten Sternenhimmel an einigen der malerischsten Campingplätze dieser Erde. Wir haben aber einen gehörigen Respekt vor den bevorstehenden Tagen. Da die Route durch ein sehr abgelegenes Gebiet führt, bist Du im Notfall auf Dich alleine gestellt und wir wissen noch nicht wie vielen Leuten wir tatsächlich begegnen werden. Auf dem Santa Cruz Trek waren wir ja schon weitestgehend allein unterwegs.
T-1
190 kcal oder 140kcal? Klare Sache, natürlich 190 kcal. Die Wahl des Müsliriegels fällt leicht. Je mehr Kalorien in kompakter Form desto besser, denn wir müssen Frühstück und Abendessen für sieben Tage sowie Snacks für zehn Tage mitschleppen (nach sieben Tagen werden wir ein Dorf erreichen, in welchem wir Basislebensmittel nachkaufen können).
Die Nahrungsvorräte sind ausgerechnet, Vitamintabletten als Obstersatz gekauft, der Gasvorrat reichlich vorhanden, die extrafetten Schafswollsocken besorgt, kopierte Karten ausgedruckt, die 50er Sonnenmilch aufgestockt, eine Offline-Karten-App installiert… und wir sind aufgeregt wie kleine Kinder am Vorweihnachtsabend.
Tag 1: Pocpa – Quartelhuain
Morgens um 4 Uhr reißt uns der Wecker aus dem Schlaf, denn der Bus zu unserem Startpunkt Pocpa startet eine Stunde später. Gegen 11 Uhr schultern wir schließlich dick eingecremt und hochmotiviert die Rucksäcke und los gehts! Der erste Aufstieg zum Zeltplatz Quartelhain fällt uns schwer, der Rucksack wiegt wie Blei auf dem Rücken. Ich komme mir vor wie eine 80jährige Oma, Uli verbrüdert sich im Geiste mit den Packeseln. Worauf haben wir uns hier nur eingelassen? Nach der Begrüßung der direkt neben uns wohnenden Esel und Schafe sowie dem ersten selbstgekochten heißen Quinoa-Brei ist aber alles schon gar nicht mehr so schlimm, morgen wird bestimmt alles schon viel besser.
Tag 2: Quartelhuain – Laguna Mitococha
Die Nacht ist kalt. Scheißkalt. Minus 10 Grad sind keine Seltenheit in dieser Höhe und in den folgenden Tagen werden wir morgens noch so manches Mal die Eisschicht vom Zelt kratzen müssen bevor es weitergeht. Mein Schlafsack hält leider nicht das was er verspricht und mir graut jetzt schon vor den nächsten Nächten in noch größerer Höhe.
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Sofort nach dem Sonnenaufgang ist aber alles gut und der leckere Kokatee erweckt uns aus der Starre. Der Aufstieg zum Punta (Pass) Cascanan (4.700 m) ist anstrengend aber machbar. Unsere Körper haben kapiert, dass das Lotterleben nun vorbei ist. Als ich keuchend oben ankomme, schnackt Uli gerade mit Ira und Tobi aus Deutschland, die beiden werden wir in den nächsten Tagen immer wieder treffen und schätzen lernen.
Der Ausblick gibt eine Idee auf die kommenden Tage: Hier oben ist die Luft dünn und klar, die Berge scheinen den Himmel zu berühren und hinter jeder Ecke wartet die nächste grandiose Aussicht. An der Lagune Mitococha belohnen wir uns mit einem frischen Bad und der Blick vom Zeltplatz auf die Berge ist grandios. Tiefe gletschergespeiste Kanäle durchziehen das Tal und bieten uns frisches Wasser dar. Da selbst in den unwirklichsten Orten und Höhen noch Rinder grasen und sterben, müssen wir jeden Milliliter Wasser entweder filtern oder abkochen – bei empfohlenen 3-4 Litern pro Tag und Person kommt da ganz schön was zusammen.
Tag 3: Laguna Mitococha – Laguna Carhuacocha
Heute sind wir mutig. Von unserem Hostelbesitzer in Huaraz haben wir eine schwierigere aber wohl lohnende Alternativroute empfohlen bekommen – also schreiten wir frohen Mutes durch ein Hochtal bis wir vor einer Wand stehen. Viele Wege führen nach oben, einfach ist aber keiner. Also einfach Augen zu und durch – womit bewiesen wäre, dass man auch mit fettem Rucksack klettern kann wenn man nur will. Der dabei aufgesammelte Dreck unter den Fingernägeln wird uns noch Tage begleiten.
Der spätere Ausblick auf das türkis strahlende Wasser der Laguna Carhuacocha, die mächtig thronende Bergkette mit der Siula Grande, Yerupaja und Jirishanca ist einfach atemberaubend und wir freuen uns wie ein Schnitzel, dass wir genau HIER zelten werden. Die Siula Grande wurde vor allem bekannt nachdem die Briten Joe Simpson und Simon Yates 1985 eine Erstbegehung machten und dann auf dem Abstieg durch einen Unfall in Not gerieten. Die Geschichte der beiden ist im fantastischen Buch und Film „Touching the Void“ dokumentiert.
Die tropische Vergletscherung ist wild und ungestüm, die Berge sind gespickt mit riesigen Hängegletschern, die sich an unglaublich steile Wände klammern. Kaum vorstellbar, dass solch eine Menge Schnee sich da festhalten kann.
Endlich angekommen am Platz der Wahl, wartet der erste offizielle Windtest auf unser Zelt. Überraschend ist auch die Tatsache, dass es jenseits der 4.000 m noch Mücken und Vampirfliegen gibt, die den müden Wanderer nerven. Ira und Tobi laden uns noch auf eine Runde Karten ein bevor wir gegen halb 8 müde und glücklich in die Heia gehen.
Tag 4: Laguna Carhuacocha – Huayhuash
Morgens sind wir meist die letzten, die den Campingplatz verlassen, denn wir warten einfach im Zelt bis die Sonne über die Berge kommt. Ira und Tobi sind konsequent und starten meist als erste, kaum dass es hell geworden ist. Respekt! Dann starten die organisierten Tourteilnehmer mit ihren Guides. Die Eseltreiber packen die Kisten und beladen die Esel, dann kommt die Sonne und unser Zelt geht langsam auf. Wir genießen die ersten Sonnenstrahlen, saugen die Wärme auf, spüren wie sie die letzte Kälte der Nacht vertreibt. Bis wir dann alles wieder in den Rucksäcken verstaut haben, ist auch das Zelt aufgetaut. Dann verabschieden sich die Eseltreiber und wir genießen noch eine Weile den erwachenden Tag und machen uns dann auch auf den Weg.
Abermals wählen wir eine empfohlene schwierigere aber offenbar lohnenswerte Alternativroute. Und wirklich: zwei Pässe, drei Seen, ein beeindruckender Gletscher – wir sind einfach baff! Eine unwirklich schöne Landschaft offenbart sich nach dem schweißtreibenden Aufstieg zur Punta Siula (4.800 m). Oben angekommen treffen wir – wie nun jeden Tag – die eher losgezogenen Tobi und Ira und tuckeln unsere kalorienreichen Schätze.
Beim Abstieg müssen wir wie schon bei der vorherigen Tour Wegzoll in Form von Naturalien an Kinder am Wegesrand abtreten. Die Haferflockenmischung entlockt aber leider nicht so recht das Lächeln, welches vielleicht durch die geforderten Kekse oder Schoki hervorgezaubert worden wäre. Am Ziel reicht es dann noch gerade so für eine kurze Runde Yoga im Kampf gegen den Muskelkater bevor uns ein Hagelschauer vorzeitig ins Zelt verbannt. Puh, Schwein gehabt!
Tag 5: Huayhuash – Laguna Viconga
Es verspricht, ein relativ entspannter Tag zu werden: nur vier Stunden über den überschaubaren Pass „Portachuela“ (4.780m) und dann…. heiße Thermalquellen auf 4.300m! Stellt euch einfach vor: ihr schaut auf mächtige Gletscher, imposante Berge, es schneit… und ihr sitzt Cola-trinkend im wohltuend heißen Wasser. Aaaaah…. Nachts ist der Himmel so sternenklar wie es nur in zivilisationsbefreiten Gegenden möglich ist, von Streulicht unbeirrt können wir sogar die Milchstraße sehen – abermals vom heißen Becken aus!
Unsere Quetschtüte des Wasserfilters hat ein Loch bekommen, Tape hilft nicht viel. Blöd ist, dass das Loch nahe am Filterauslass ist und man so tierisch aufpassen muss, dass das Schmutzwasser nicht mit in die Flasche tröpfelt. Also entscheiden wir uns, die Cola-Flasche zu behalten und sie weiterhin als Quetschtüte zu benutzen. Das Drücken ist anstrengender, aber mit 1,5 Litern statt knapp einem halben sparen wir uns einige Gänge zum Gletscherbach.
Tag 6: Laguna Viconga – Pampa Elefante
Der Aufstieg zum Pass Cuyoc (4.950m) ist zum ersten Mal vergleichbar mit einer Tour in den Alpen. Wir werden stärker, der Rucksack leichter und doch… die Atemfrequenz ist ungefähr doppelt so schnell. Wir knacken fast die 5.000m und die Luft ist spürbar dünn, der Luftdruck ist nur noch halb so hoch wie auf Meereshöhe. Oben angekommen, leistet uns der vergletscherte Nevado Cuyoc in direkter Nachbarschaft Gesellschaft, der Wind pfeift uns um die Ohren und wir schauen seelig auf das Panorama des morgigen Tourabschnitts. Er ist wild, einsam, fast schon surreal in seinen gigantischen Felsformationen.
Abends laden uns dann Martin und Anna, die mit einer Tour unterwegs den gleichen Weg beschreiten wie wir, auf Tee und Cracker ein. Heißes Wasser ohne filtern zu müssen, Kekse die wir nicht schleppen mussten – yeah!
Tag 7: Pampa Elefante – San Antonio – Huayllapa
Tougher Frühsport: Der Aufstieg zum San Antonio Pass geht steil 800hm auf 5.020m hinauf. Wir legen noch einen drauf, kraxeln ein paar Meter weiter auf den Cerro San Antonio mit 5.079m und werden mit einem beeindruckenden 360° Rundumblick belohnt. Ich bin in meinem Leben noch nie so hoch hinaus gekommen und hab schon ein bissl Pipi in den Augen als wir da oben stehen. Eigentlich war geplant, nach dem Abstieg im Tal gleich zu zelten, aber ein fieser Wetterumschwung ist absehbar, sodass wir im Wettlauf mit dem Regen den langen Weg nach Huayllapa antreten. Und wir gewinnen.
Vorbei an unzähligen Wasserfällen steigen wir das liebliche Tal hinab, es wird wärmer, die Pflanzen zeigen weniger Dornen, werden grüner und auf 3.500 m liegt dann das Dorf Huayllapa vor uns inkl. der Möglichkeit, unsere Vorräte für die nächsten drei Tage aufzustocken. Huayllapa gewinnt auf jeden Fall den Wettbewerb um den originellsten Zeltplatz, wenn auch nicht den schönsten: wir dürfen unser Lager auf dem Fußballplatz mitten im Dorf aufschlagen. Und wer ist wohl schon da? Ira, Tobi, Martin und Anna. Und diesmal kommen wir nicht nur in den Genuss eines Tees, sondern werden von deren Koch gleich auf ein komplettes Abendmahl eingeladen.
Tag 8: Huayllapa – Angocancha
Am nächsten Morgen gibt es einen fliegenden Platzwechsel von uns Wanderern hin zu einer Schulklasse im Sportunterricht und wir machen uns auf zum Pass Tapush (4.800 m). Ein langer, sehr langer Aufstieg (1.200 hm), teils durch eine endlose Mondlandschaft entlang eines schier niemals enden wollenden Geröllwegs.
Uli entdeckt, dass Singen die Stimmung hebt, es geht nicht um Rhythmus und auch nicht um Melodie – einfach raushauen, was so in den Sinn kommt, zwischendurch ein Scha-la-la oder ein Ole-ole gepaart mit tiefen Atemzügen. Fluchen und Seufzen hilft aber auch, und schlussendlich ist auch dieser Teil des Weges geschafft. Von oben ist es nur noch ein Katzensprung zum nächsten Campingplatz. Es ist unser härtester Tag, der aber von einer lange für uns scheinenden Abendsonne belohnt wird.
Tag 9: Angocancha – Laguna Jahuacocha
Heute wartet der letzte Pass „Punta Jaucha“ (4.800m) auf uns, und wie schon einige Male zuvor legen wir noch einen drauf und wählen einen kleinen aber seeehr lohnenden Umweg über den angrenzenden Nebenberg. Die letzte Wahnsinns-Rundumsicht, die letzte Lagune… ein wenig Wehmut stellt sich schon jetzt ein, gemischt mit der Vorfreude auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation wie z.B. warme Duschen, Trinkwasser soviel wir wollen und etwas anderes als Nudeln, Quinoa oder Haferflocken.
Glück ist: nach einer anstrengenden Tour Neil Gaiman Gedichte hören während Du in den Peruanischen Anden im geborgten Campingstuhl sitzt, Dir die warme Nachmittagssonne ins Gesicht scheint, ab und an eine Kuh vorbeischaut und ein kühles Bier zu Deiner Rechten darauf wartet, Deine Kehle zu erfrischen.
Tag 10: Laguna Jahuacocha – Llamac
So früh wie noch nie (6 Uhr) brechen wir bei eisigem Tagesanbruch auf um den 11 Uhr-Bus von Llamac zurück nach Huaraz zu erwischen. Das noch komplett gefrorene Zelt packen wir halbherzig zusammen und los gehts. Wir schaffen die Deadline und kommen kurz vor zehn im Dorf an. Natürlich ist die Eile umsonst, denn die noch von der vorherigen Partywoche gelähmten Transportunternehmer brauchen eine geschlagene Stunde um der Menge an Passagieren und Gepäck Herr zu werden.
Hungrig und müde wie wir sind, bekommen wir dafür aber von der Angestellten der Busgesellschaft!!! ein leckeres Frühstück zubereitet, das wir uns im bierkastengefüllten Büro schmecken lassen. Glücklich und mit voller Seele setzen wir uns auf den Bürgersteig in die Sonne und schauen dem Treiben zu. Dann endlich geht es wieder fünf Stunden lang größtenteils über Huckelpisten zurück nach Huaraz.
Fazit:
Ein unglaublich lohnendes, anstrengendes, glücklich machendes, imposantes Abenteuer! Wir haben auf einigen der schönsten Campingplätze der Welt geschlafen, die mächtigsten Berge Perus gesehen. Wir haben gelernt, dass zehn Stunden Ruhe in dieser Höhe gerade so zur Erholung ausreichen. Wir haben uns daran gewöhnt, jeden Tag sehr einfach zu essen, die Omnipräsenz der Kuhscheiße, Staubs und die entlang des Weges herumliegenden Tierkadaver waren irgendwann nicht mehr der Rede wert, abends um 7 Uhr müde ins „Bett“ zu fallen war normal… Und ich musste schmerzhaft feststellen, dass Icebreaker 150g nix für schwere Rucksäcke ist.
Uli: Ich bin dankbar für das tolle Privileg, einmal um diese wunderschönen Berge gewandert und eins mit der Natur gewesen zu sein. Es ist schon eine tolle Sache, wenn man in einem fremden Land durch einsame Gegenden ohne Wegweiser geht und dennoch immer auf dem richtigen Pfad ist. Plötzlich ist es auch wurscht, in welchem Land man ist, die Natur kennt keine Grenzen.
Dieser Trek war unser Highlight in Peru und wer weiß…? Vielleicht wird es auch das Deine.
Übrigens: die Tagestour zur Laguna Churup wäre eine perfekte Eingehtour für diese Wanderung. Und in diesem Artikel findest Du alle Infos, die Du zum Thema Höhenkrankheit wissen musst.
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Wenn Du gleich zu den Hardfacts springen willst. In unserem Infopaket findest Du alles was Du zum gleich Loswandern brauchst.
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