Naturnah und minimalistisch – eine Liebeserklärung ans Biwak

Du bist der Letzte, der die glutrote Abendsonne am Horizont verabschiedet. Nachts liegst Du auf dem Rücken, über Dir das umwerfendste Sternenmeer, das du je gesehen hast. Die frische Luft kühlt Deine Nase, Du liegst dick eingemummelt in Deinem Schlafsack und genießt den Duft der Natur. Jedes kleinste Geräusch lässt Dich über den Ursprung rätseln, Du saugst die belebende Nacht in Dich auf und würdest am liebsten ewig so liegen und dem Lauf der Welt lauschen. Du bist der Erste, den die wärmenden Sonnenstrahlen am nächsten Morgen an der Nase kitzeln und dankbar für einen weiteren Tag, den Du hier auf dieser Erde verbringen darfst.

Biwakieren ist mehr als eine Notlösung im Schlechtwetter- oder Notfall. Es ist unsere bewusste und oftmals auch bevorzugte Wahl der Schlafstätte – lässt sich doch selten die Natur so unmittelbar erleben.

Warum sollte ich mir das antun?

Leave nothing but footprints – gelebter Minimalismus

Oft zitiert und selten gelebt. Während Hütte um Hütte aufrüstet und zum All-Inklusive-Hotel mutiert – ist es nicht mal eine Überlegung wert, welcher Aufwand betrieben wird damit der müde Wanderer am Abend etwas im Bauch und einen Ort zum Schlafen hat? Der Wanderer, der ja gerade deswegen in die Berge fährt weil er die Natur erleben möchte. Je ursprünglicher und menschenleerer desto besser, zumindest auf dem Foto. Warum also diesen Gedanken nicht weiterführen und mit in den nächsten Tag nehmen?

So minimalistisch wie beim geplanten Biwakieren kannst Du nirgendwo nächtigen. Nimm Deinen GESAMTEN Müll wieder mit und vergrab Dein Häufchen. Du bist hier Gast.

Alles was Du benötigst, hast Du dabei. Alles was Du nicht dabei hast, von dem glaubst Du nur dass Du es brauchst. Ansonsten Pech gehabt, dann bezahlst Du die guten Biwaks mit den schlechten Biwak-Nächten als Lernerfahrung.

Rückbesinnung auf das Wesentliche

Auf unserer einjährigen Backpacking-Reise quer durch Südamerika 2015/2016 ist mir schon sehr deutlich bewusst geworden wie wenig ich eigentlich benötige um glücklich zu sein. Mein Rucksack war mein zu Hause. Alles was ich zum Leben brauchte befand sich darin. Alles andere: Luxus.

Ich werde mir jetzt, wo wir uns wieder ins Rad der Wirtschaft eingereiht haben, selten dieses Umstandes so bewusst wie beim Biwakieren in den Bergen. Ein windgeschützter ebener Platz. Ein guter Schlafsack, der Dich warm durch die Nacht bringt. Etwas Leckeres zu Essen. Mehr braucht es nicht zum Glück. (OK, vielleicht noch einen Glühwein, Schoki und den/die Liebste(n)…)

Wenn Du bewusst die Komfortzone der Hütten hinter Dir lässt, entdeckst Du vielleicht sogar ein Stück von Dir selbst.

Naturnah. Naturnäher. Biwak.

Wie hört sich nochmal der Ruf des Waldkauzes, das Röhren der Hirsche, das Klopfen des Spechts an? Das Rascheln der Blätter eben… – da ist doch was… Das leichte Pfeifen des Windes, das rufen der ersten Vogelstimmen am Morgen… wie hieß der nochmal?

Wie klingt absolute Stille?

Wir haben so viel vergessen von dem, wie unsere Welt klingt oder – befreit vom Alltagsrauschen – einfach mal die Klappe hält. Wie sie riecht. Wie sie sich anfühlt.

Du erntest zwar nicht automatisch enzyklopädisches Naturkundewissen wenn Du in freier Natur übernachtest, aber diese Erfahrung wird Dich definitiv wieder mit den Elementen verbinden und Dir die Lebendigkeit und Unvorhersehbarkeit der Natur vor Augen führen.

Ein Biwak unter Sternen ist eine großartige Erfahrung!

Ich kann das.

Robens Couloir 100 als Superheldenumhang

Du glaubst, Biwakieren ist nur was für eingefleischte Bushcraft-Rambo-Typen oder Soldaten? Als Frau allein im Wald, am Berg schlafen – undenkbar?

Erinnere Dich mal an Deine Kindheit: wie oft bist Du friedlich vor dem Indianerzelt eingepennt, hast Du das Baumhaus mit viel Liebe eingerichtet, bist nach dem Toben in der Mittagshitze im Gras eingedöst?

Warum sollte das alles als Erwachsener aufhören? Du musst kein Pfadfinder mit Abzeichen sein um Dir ein wenig Abenteuerfeeling zurückzuholen. Und es muss ja auch nicht gleich die Übernachtung in einer Portaledge sein. Je öfter Du Dich traust, das Unkomfortable zu umarmen, desto mehr wirst Du wachsen und Dir am nächsten Tag denken: Geil, DAS hab ich gemacht!


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Günstig

Fast vergessen, aber auch nicht unwichtig: wenn Du in Gottes freier Natur nächtigst, kostet Dich das Null Komma Garnix. Außer vielleicht ein wenig Überwindung und den Willen, eine klitzekleine Extrameile zu gehen.

Unsere Erfahrungen

Du bist neugierig geworden? Cool! Dann schau Dir erstmal unsere Erlebnisberichte und Fotos an. Das ist dann sicher das letzte Quäntchen Inspiration um Dich selbst in solch ein Mini-Abenteuer zu stürzen.

Sommerbiwak am Riederstein

Just for fun nach einem Kletterausflug. Warum sofort zurück nach München fahren wenn wir die Nacht noch in freier Natur verbringen können?

Sommerbiwak zum Tegernseer Filmfest

Den ganzen Tag lang zusehen wie andere Leute Abenteuer erleben und dann heimfahren ohne ein einziges Mal selbst Gras gerochen oder den Kocher angeschmissen zu haben? Undenkbar. Kurzerhand laufen wir Richtung Neureuth bis wir einen schönen Platz mit Blick auf das erleuchtete Dorf haben und verbringen dort die Nacht. Traumhaft!

Winterbiwak am Wallberg zu Silvester

Kein Bock auf Knall-Bumm-Peng? Rauf auf den Berg! Kniebedingt diesmal leider mit der Gondel. Aber die Aussicht auf die unzähligen Raketen und Lichter bei glasklarem Himmel nimmt uns fast den Atem. Nie hat Glühwein besser geschmeckt als an diesem Abend.

Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ist der ausgeliehene Testschlafsack leicht unterfordert, mir aber dafür kuschelig warm. Leider dreht dann kurz nach Mitternacht der Wind und weht uns heftig um die Ohren, sodass wir leider unsere sieben Sachen wieder packen und ein paar Meter weiter runter ziehen müssen. Früh morgens fängt es dann noch heftig an zu schneien und die Berge beweisen uns wieder einmal wie unberechenbar sie sein können. Die Betreiber des Restaurants am Wallberg haben dankenswerter Weise Mitleid mit uns im Schneesturm Ausharrenden und lassen uns die letzte Stunde bis zur ersten Bahn im Trockenen warten.

Und jetzt: lass es krachen 🙂

Schlafsacktest im Rofan bei -15°C – behind the scenes

Ein geplantes Biwak bei Minusgraden? Aber sicher doch! Ich bin noch immer kniegeplagt, aber ein bisschen Schneeschuhwandern im Rofan-Hochtal geht schon. Wir suchen uns hinten im Tal in Erwartung einer sehr frostigen Nacht ein schönes Plätzchen. Es schneit heftig und so stellen wir das eigentlich nur für den Notfall mitgebrachte Zelt dann doch sofort auf.

Wir erleben tatsächlich die kälteste Nacht unseres Trekkinglebens. Peru war ja schon arschkalt mit guten -10°C, aber hier kommen unsere Schlafsäcke an ihre Grenzen. Mein geliehener Vaude Alpstein 800* ist mit einem Komfortlimit von -16°C versehen, und das kann ich unterschreiben. Er hat seinen Job gut gemacht aber es hätte kein Grad kälter sein dürfen. Ulis Schlafsack ist für solch extremen Temperaturen eigentlich nicht ausgelegt, aber das finden wir erst viel später bei der Recherche heraus, denn die Labels sind alle längst verwaschen und zerrissen.

Dennoch – es war wieder ein unglaublich tolles Erlebnis, nicht zuletzt dank des gemütlichen Kaiserschmarrn-Frühstücks welches wir uns am nächsten Morgen in der Morgensonne schmecken lassen (Eier und Milch durften bei mir im Schlafsack bleiben und waren somit nicht gefroren).

Schlafsacktest am Stubaier Gletscher – behind the scenes

Robens* schickt uns zwei ihrer besten Winterschlafsäcke zum Testen. Aber der Frühling hat schon Sommerambitionen und so müssen wir hoch hinaus um uns ein faires Urteil bilden zu können. Genauer gesagt 3.200m. Bei gleißendem Sonnenschein laufen wir zu unserem Panoramahotel und genießen lange die handschuhfreie Zeit bis die Sonne untergeht.

Kaum ist sie hinter den Bergspitzen verschwunden, verkriechen auch wir uns in unseren Kuschelhöhlen und kommen höchstens zum Fotografieren nochmal kurz raus. Denn es ist in der Tat wieder saukalt bei ca. -10°C. Nachts weht ein frisches Lüftchen und der sternenklare Himmel wechselt im Minutentakt mit dicken Wolken, aus denen es ab und an auch ein wenig schnickelt. Die Schlafsäcke können, nun komplett überfroren, so richtig zeigen was sie drauf haben und wir bleiben warm.

Am nächsten Tag ist die Welt grau und das Schneetreiben nimmt seinen Lauf. Verrückt. Welch ein Glück, dass wir gestern diesen wunderschönen Abend hier erleben durften!


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Ist das überhaupt erlaubt?

Biwakieren bedeutet lediglich “behelfsmäßiges Nachtlager im Freien”. Das kann sowohl die Übernachtung mit und ohne Zelt oder sogar in einer Schutzhütte bedeuten.

Geplantes Biwakieren ist jedoch im Prinzip wildes Camping. Auf Deinem privaten Gelände darfst Du das natürlich. In allen Schutzgebieten ist es jedoch untersagt, der Umgang mit diesem Thema ist je nach Region sehr unterschiedlich geregelt. Diese rechtliche Grauzone erläutert aufundab.eu genauer. Verhalte Dich rücksichts- und respektvoll, dann passiert meist nichts. Und eh klar: Leave nothing but footprints!

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Also, worauf wartest Du noch? Raus mit Dir! Und lass uns gerne wissen wo es Dich hin verschlagen hat und was Du erlebt hast.

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4 Kommentare

Thomas 9. Dezember 2019 - 16:37

Hi Ihr Beiden!
Ganz tolle Seite habt Ihr da!!
Wir sind auch gerade dran im Wintercamping einzusteigen und können da jede Info brauchen!
Mal gespannt wie unser erstes Zelten im Schnee sein wird! Habt Ihr Tips was zum Einstieg empfehleswert ist??
Auf der Rofanspitze waren wir auch schon im Winter, allerdings dann genächtigt in der Erfurter Hütte.

Im März planen wir Kungsleden…. daher wollen wir vorher unbedingt einoge Tsts machen Erfahrung so bis -5-8° sind vorhanden.

Viel Spaß Euch beiden auf Euren Touren und macht weiter so!!!
LG
Thomas
http://www.dreamhiker.de

Antworten
Uli 10. Dezember 2019 - 20:56

Hallo Thomas!
Danke für Deine lieben Worte. Zum Einstieg ist es auf jeden Fall gut, wenn Du eine Rückzugsmöglichkeit hast, falls irgendwas gar nicht klappt.

Du hast sicherlich schon unsere Tipps fürs Winterbiwak entdeckt, darin haben wir alle unsere Erfahrungen geteilt.

Viel Freude Euch beiden weiterhin … stay wild!
Liebe Grüße
Uli

Antworten
Elias 7. Mai 2018 - 20:33

Hallo Zusammen
Toller Artikel. Ich kann euch voll und ganz verstehen. Ich werde jeweils unruhig wenn ich mehr als 7 Nächte am Stück in einem Haus verbringen muss. Die letzten Wochenenden habe ich es zum Glück immer nach draussen geschafft und den Sternenhimmel genossen.
Weiterhin viel Spass beim biwakieren
Elias

Antworten
Christiane 12. Mai 2018 - 20:46

Vielen lieben Dank, Elias, dir auch!
Ganz so oft kommen wir leider nicht raus in die Berge, aber gut dass Du die Stange hoch hältst 🙂

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